7. Für Demokratie und Bürgerrechte

CDU und FDP verfolgen in Baden-Württemberg eine Politik der Bevormundung und Gängelung. Sie orientieren sich am obrigkeitsstaatlichen Denken, das die Bürgerinnen und Bürger zu Bittstellern macht und von wichtigen Entscheidun­gen ausschließt. In Baden-Württemberg bestehen erhebliche Defizite, was Demokratie und Bürgerrechte angeht. Die demokratischen Mitwirkungsrechte der Bevölkerung sind im Vergleich zu anderen Bundesländern stark beschnitten. DIE LINKE will das ändern. Deshalb fordern w

Mehr direkte Demokratie!

In Baden-Württemberg herrscht die weitverbreitete Meinung, der Staat müsse möglichst frei von Bürgereinfluss sein, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Da ist DIE LINKE ganz anderer Ansicht: Je vielfältiger die gesell­schaftlichen Interessen, je komplexer die öffentlichen Aufgaben sind, desto notwendiger ist die direkte demokratische Beteiligung aller Betroffenen. In einer modernen Demokratie können angemessene politische Entscheidungen nur getroffen werden, wenn alle Bürgerinnen und Bürger in den Diskussions- und Entscheidungsprozess einbezogen sind.

Hier besteht in Baden-Württemberg erheblicher Reformbedarf:

  • Bürgerbegehren werden bis jetzt im Land durch hohe bürokratische Hürden behindert. Das schränkt die  Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bevölkerung stark ein. Ähnlich wie heute schon in Bayern oder der Schweiz  fordert DIE LINKE auch für Baden-Württemberg:
  1. die für ein Bürgerbegehren notwendige Unterschriftenanzahl ohne Einschränkung durch eine Frist deutlch zu senken;
  2. die sogenannte Kostendeckungsklausel als Zulassungsvoraussetzung abzuschaffen;
  3. Bauleitpläne dürfen nicht länger als Gegenstand von Bürgerbegehren ausgeschlossen bleiben. Denn gerade große Bauprojekte treffen den Nerv der Bürgerschaft, wie das aktuelle Beispiel Stuttgart 21 deutlich macht.
  • Wie bei Wahlen soll auch bei Bürgerentscheiden allein das Prinzip gelten: „Die Mehrheit entscheidet!“ Es soll nicht mehr möglich sein, dass ein Gemeinderat dann doch anders entscheidet, als es die Mehrheit der Abstimmenden beim Bürgerentscheid will.
  • Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sollen auch auf Landkreisebene ermöglicht werden. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat die Landesregierung in Baden-Württemberg das bis heute verhindert. DIE LINKE meint: Wenn sich ein Projekt nicht nur auf eine Gemeinde, sondern auf den ganzen Landkreis bezieht, muss die Bevölkerung des Landkreises darüber abstimmen können.
  • Einwohneranträge sind ein demokratisches Instrument, das in anderen Bundesländern immer wieder genutzt  wird. In Baden-Württemberg ist es unbekannt. Bei einem Einwohnerantrag kann ein bestimmter Prozentsatz der Einwohner verlangen, dass ein Thema auf die Tagesordnung des Gemeinderats, des Kreistags oder des Landtags gesetzt wird, worüber dann das jeweilige Gremium eine Entscheidung herbeiführen muss. DIE LINKE hat einen umfassenden Gesetzentwurf ausgearbeitet, um Einwohneranträge auch in Baden-Württemberg zu  ermöglichen. Wir werden ihn umgehend einbringen, sobald wir in den Landtag eingezogen sind.
  • Volksbegehren und Volksentscheide auf Landesebene werden in Baden-Württemberg durch unüberwindbare gesetzliche Hürden faktisch unmöglich gemacht. DIE LINKE fordert, die Zahl nötiger Unterschriften für ein  landesweites Volksbegehren von 17 Prozent auf 5 Prozent der Wahlberechtigen zu senken. Sechs Monate sind  mindestens für die Unterschriftensammlung einzuräumen, statt wie bisher nur zwei Wochen, was völlig unrealistisch und undurchführbar ist. Die Unterschriftsleistung für ein Volksbegehren muss in freier Sammlung oder auf den Rathäusern möglich sein.

Eine der ersten Maßnahmen der Landtagsfraktion DIE LINKE wird ein Gesetzentwurf zur Ausweitung direktdemokratischer Elemente (Volksabstimmung und Bürgerentscheid) sein.

Keine Manipulationen beim Wahlrecht!

Im Unterschied zu anderen Bundesländern ist das Wahlrecht in Baden-Württemberg so gestaltet, dass die CDU bevorzugt und andere Parteien benachteiligt werden. Das ist undemokratisch. Daher fordert DIE LINKE eine umfassende Wahlrechtsreform, wofür wir im Landtag einen Gesetzentwurf einbringen werden.

  • In den Landkreisen sollen die Landräte, in den Städten die Bezirksbeiräte direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden.
  • Die Amtszeit von Bürgermeistern soll von acht auf sechs Jahre reduziert werden, damit sie den Wählerwillen nicht so schnell vergessen. Sie sollen jederzeit abwählbar sein. Außerdem sollen sie keine weiteren Mandate bekleiden dürfen, beispielsweise in Kreistagen. Auch bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern darf es keine Ämterhäufung geben.
  • Das Wahlrecht bei Kreistagswahlen ist dahingehend zu modi?zieren, dass keine unausgeglichenen Überhangmandate mehr auftreten und die Zahl der Sitze für die Parteien ihrem Anteil an Wählerstimmen entspricht.
  • Das veraltete Sitzzuteilungsverfahren nach d’Hondt in den baden-württembergischen Kommunalparlamenten, das großen Parteien – insbesondere der CDU – mehr Sitze zuteilt, als es ihrem Wählerstimmenanteil entspricht, gehört abgeschafft und ist durch das proporzgerechte Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers zu  ersetzen.
  • Um ein faires Wahlrecht bei Landtagswahlen zu erreichen, wird DIE LINKE einen Gesetzentwurf mit folgenden  Kernpunkten in den Landtag einbringen: Einführung einer Zweitstimme für die Landeslisten wie bei Bundestagswahlen mit verbindlicher Geschlechterquotierung der Landeslisten der Parteien. Wahl von zwei Direktkandidaten pro Wahlkreis, wobei die Zahl der Wahlkreise reduziert wird und deren Größe sich an den Bundestagswahlkreisen orientiert. Langfristiges Ziel ist die Abschaffung der undemokratischen Fünf-Prozent-Hürde. Solange dies keine Mehrheiten findet, streben wir die Einführung einer Ersatzstimme an, durch die angegeben werden kann, wer die Stimme ersatzweise erhalten soll, falls die Lieblingspartei die Fünf-Prozent-Hürde oder der Lieblingskandidat die notwendige Mehrheit für ein Direktmandat verfehlt.
  • DIE LINKE fordert die konsequente Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts. Das bedeutet, dass alle unabhängig von der Staatsangehörigkeit ab dem 16. Lebensjahr dazu berechtigt sein sollen, dort zu wählen, wo sie leben und wohnen. Dieses Recht soll nicht nur Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union zustehen, sondern allen, die ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Baden-Württemberg haben.

Transparenz statt Klüngelei – Öffentlichkeit und bürgernahe öffentliche Verwaltung statt Überwachungsstaat

Immer mehr Vorgänge in der Politik spielen sich hinter verschlossenen Türen ab. Bürgerinnen und Bürger werden nicht nur von Entscheidungsprozessen ferngehalten, sondern nicht einmal informiert. DIE LINKE fordert Offenheit und Transparenz, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern rechtzeitig Einwände und Einspruch erheben können.

  • Jede Gemeinde und jeder Landkreis muss mindestens einmal jährlich eine öffentliche Bürgerversammlung  durchführen, um die Bürgerschaft über aktuelle Vorgänge zu informieren und Gelegenheit zur Diskussion zu geben. In Baden-Württemberg gibt es hierzu lediglich eine unverbindliche Soll-Bestimmung für Gemeinden, die von den verantwortlichen Politikern gerne ignoriert wird.
  • Gemeinderäte und Kreistage sowie alle ihre Ausschüsse tagen grundsätzlich öffentlich. Ausnahmen darf es nur noch geben, wenn dies gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, zum Beispiel wenn ein Persönlichkeitsrecht zu schützen ist. Die Kungelei hinter verschlossenen Türen muss ein Ende haben. Auch in privatrechtlich organisierten kommunalen Unternehmen müssen alle gewählten Gemeinde- und Kreisräte  jederzeit uneingeschränkten Zugang zu Informationen haben.
  • Alle Protokolle und Antragsunterlagen von öffentlichen Sitzungen der Kommunalparlamente und ihrer Aus­schüsse sind umgehend im Internet zu veröffentlichen, damit jede Bürgerin und jeder Bürger genau nachvoll­ziehen kann, was eigentlich verhandelt und beschlossen wurde.
  • Der wachsende und immer weiter um sich greifende kapitaldominierte Lobbyismus muss endlich ein Ende haben. Ein großer Teil der Abgeordneten unserer Parlamente gehören gleichzeitig Vorständen von Konzernen und Unternehmen an. Durch das Einstreichen hoher Nebenverdienste und mögliche Weitergabe von internen Informationen ist nicht mehr gewährleistet, wem die Abgeordneten dienen und wessen Interessen sie eigentlich vertreten. Auch durch Parteispenden von Großkonzernen wird in die parlamentarische Willensbildung eingegriffen und großer Einfluss auf sie ausgeübt. Zudem gehen immer wieder große Spenden auch an Ministerien, um sich Vorteile zum Beispiel bei der Vergabe von Aufträgen zu erkaufen. Damit muss Schluss sein! Deshalb fordert DIE LINKE auch in Form von Bundesratsinitiativen: Es dürfen nur noch Privatpersonen an Parteien spenden. Spenden müssen offengelegt werden. Einrichtungen in öffentlicher Hand und demokratisch gewählte Parlamentarier dürfen nur noch private Spenden annehmen. Mitglieder des Landtages sollen ihre Nebeneinkünfte spenden.

Gesetz zur Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg

Weitgehende Transparenz und umfassende zeitnahe Information sind wesentliche und mithin unverzichtbare Verhaltensweisen von öffentlichen Behörden und Verwaltungen in einer lebendigen Demokratie. DIE LINKE fordert auch für Baden-Württemberg ein Informationsfreiheitsgesetz, das jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen oder amtsähnlichen Informationen gewährt. Bürgerinnen und Bürgern dürfen solche Informationen nicht mehr unter dem Vorwand des Amtsgeheimnisses vor­enthalten werden. Damit würden sie von ihrer demokratischen Teilhabe ausgeschlossen.  Bisher blockiert die schwarz-gelbe Landesregierung alle Bestrebungen, auch in Baden-Württemberg ein Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden, wie es bereits in anderen Bundeslän­dern in Kraft ist.

DIE LINKE fordert, dass in den Beratungen über ein Informationsfreiheitsgesetz für Baden-Württemberg auch hemmende Aspekte des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes beseitigt, die Pflichten der Behörden, öffentlicher Verwaltungen und vergleichbarer Einrichtungen unmissverständlich festgestellt und der Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger eindeutig geregelt und klar verständlich formuliert werden.
DIE LINKE wird sich unmittelbar nach den Wahlen zum neuen Landtag nachdrücklich für die Einführung eines „Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Baden-Württemberg“ einsetzen und dafür auch einen eigenen Gesetzesentwurf einbringen. Dieser wird insbesondere:

  • den klaren Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf nachvollziehbare Transparenz und unverzügliche beziehungsweise zeitnahe umfassende Information zu Vorgängen und Daten der Verwaltungen festlegen und die Verwaltungen des Landes zu einem entgegenkommenden Verhalten verpflichten;
  • mögliche Widersprüche mit anderen Gesetzen oder Bestimmungen klären und gegebenenfalls zugunsten der Informationsfreiheit regeln;
  • Zuständigkeiten und unabdingbare Ausnahmen (Persönlichkeitsrechte etcetera) nachvollziehbar klar und eindeutig formulieren beziehungsweise auf solche ausdrücklich verweisen;
  • Ausnahme-, Kann- und Soll-Regelungen auf ein unabdingbares Mindestmaß reduzieren;
  • Einrichtungen und Gesellschaften, die sich überwiegend oder ganz in öffentlicher Hand befinden (Stadtwerke, Abfallwirtschaftsunternehmen etcetera), ausdrücklich in die Auskunftspflicht mit einschließen;
  • eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz tatsächlich unverzüglich und in einfachen Fällen kostenlos, bei aufwändigeren Anfragen zeitnah und kostengünstig, gewährleisten. Für Auskünfte sind klare Fristenregeln vorzusehen und die oder der Auskunftsbegehrende im Zweifels- oder Verweigerungsfalle unverzüglich zu benachrichtigen.

Versammlungsfreiheit statt Behördenwillkür!

Seit Jahren will die schwarz-gelbe Landesregierung die Versammlungsfreiheit in Baden-Württemberg einschränken  – angeblich, um den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu führen. Neonazis bekämpft man jedoch nicht durch Angriffe auf demokratische Grundrechte, sondern durch Verbot ihrer verfassungswidrigen Organisationen und eine aktive Aufklärung über ihre Machenschaften. Doch geht es nach den Plänen der Landesregierung aus CDU und FDP, soll jeder öffentliche Protest erschwert werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie der öffentlichen Demonstration wollen sie der Willkür staatli­cher Behörden aussetzen. Setzen sich die Regierungsparteien durch, kommt es zu einer gefährlichen Einschränkung  der Versammlungsfreiheit, der DIE LINKE entschieden entgegentritt.

Darüber hinaus gibt es gegen Polizeibeamte immer wieder ernst zu nehmende Vorwürfe wegen rechtswidriger Gewaltanwendung, die zum Teil nicht ausreichend untersucht werden. Die Aufklärung wird nicht selten dadurch erschwert, dass die betroffenen Polizeibeamten aufgrund fehlender Kennzeichnung nicht identifiziert werden können. Das kann zu einem Mangel an Verantwortlichkeit und zu einem Klima der Straflosigkeit führen. Um dem entgegen zu treten fordert DIE LINKE eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, zum Beispiel durch Namensschilder oder individuelle Identifizierungsnummern, die Gewährleistung unabhängiger, umfassender, unmittelbarer und unparteiischer Untersuchungen, wenn Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen die Polizei erhoben werden, sowie ein Verbot des Tragens von Schusswaffen im alltäglichen Streifendienst sowie  bei Demonstrationen und Großveranstaltungen.

Vorsicht Überwachungsstaat!

Die LINKE setzt sich im Bundesrat, sowie im Zusammenwirken mit dem Landesdatenschutzbeauftragten, für Datenschutz ein, und zwar sowohl Schutz der Bürger und Bürgerinnen gegenüber dem Staat wie auch der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern. Dazu gehören Themen wie die Vorratsdatenspeicherung von Telefondaten, die umfassende Datenübermittlung nach ELENA-Vorschriften von Arbeitgebern an öffentliche Stellen, der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Arbeitsplatz vor Bespitzelung mit Videoaufnahmen, Mailüberwachung und werkärztlichen Untersuchungen, und die Sammlung gewaltiger Datenmengen in der Volkszählung 2011. In diesen Fällen sind zahlreiche Klagen anhängig. Das im August 2010 vom Bundeskabinett vorgelegte Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz ist völlig unzureichend.

DIE LINKE lehnt die im Polizeigesetz von Baden-Württemberg seit 2001 verankerte Verwaltungsvorschrift zur Video­-Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern ab. Diese Vorschrift ermöglicht willkürliches Handeln der durchführenden Organe. Auch das Beispiel von Videoüberwachungen an 17 öffentlichen Schulen in Mannheim, die 2009 vom Landes­- datenschutzbeauftragten kritisiert und schließlich durch das Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt wur­den, zeigt die Bereitschaft der Landesregierung zum unbegründeten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte jedes Einzel­nen. Wissenschaftliche Untersuchungen hingegen belegen: Kameraüberwachungen vermindern die Kriminalität nicht, sondern verlagern sie bestenfalls an andere Orte. Damit werden die Kriminalität und ihre Ursachen nicht beseitigt!

Nach Auffassung der LINKEN trägt – neben einer grundsätzlich sozial gerechten Politik – zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger eher eine personelle Aufstockung der Polizei und der kommunalen Ordnungsdienste bei als der derzeit betriebene Stellenabbau, die Verlängerung der Dienstpläne und die Kürzung der Gehälter.

Polizei und innere Sicherheit

Die Alternative zu der willkürlichen Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, Schulen und in öffentlichen Verkehrs­mitteln ist eine Personalaufstockung bei Polizei und kommunalen Ordnungsdiensten, um gesellschaftlich notwendige öffentliche Ordnung und Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger besser gewährleisten zu können. Durch den immer weiteren Stellenabbau der letzten Jahre ist es heute kaum mehr möglich, dass die Polizei ihre öffentlichen Verwal­tungs- und Ordnungsaufgaben zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllen kann.

Widersinnig ist zudem die von der Landesregierung verantwortete neue Festsetzung, dass für die Höchstpen­sion 45 Dienstjahre Voraussetzung sind. Das kann von niemandem erreicht werden und bedeutet somit faktisch eine  Kürzung der polizeilichen Beamtenpensionen. Der Polizeiberuf wird dadurch immer unattraktiver.
Während in anderen Bundesländern wie Hessen und Rheinland-Pfalz durch eine Laufbahnreform der mittlere  Polizeidienst faktisch abgeschafft wurde, be?nden sich in Baden-Württemberg immer noch 50 Prozent der Polizei­beamten im mittleren Dienst. Der in Aussicht gestellte Übergang lebensälterer Polizeibeamter vom mittleren in den  gehobenen Dienst ist nur über ein verdünntes Ausbildungsprogramm (sogenanntes „W8-Programm“) möglich. DIE LINKE fordert eine Ausweitung des Quali?zierungsprogramms und eine Anhebung des Stellenschlüssels für den geho­benen Dienst bei der Polizei auf mindestens 80 Prozent. Entsprechend ist auch bei den Landesfeuerwehren und im  Justizvollzug zu verfahren.

In vielen abgelegenen Orten Baden-Württembergs steht der Polizei heute immer noch keine Funkverbindung zur Verfügung, die lebensrettend sein kann. Hier fordert DIE LINKE die unverzügliche Einführung des Digitalfunks, der sich nun schon seit zirka zehn Jahren nur „in Planung“ be?ndet. Das ist weit wichtiger als etwa die Farbe der Uniform (wobei die Beamten den Uniformwechsel auch noch durch jahrelange Kürzungen ihres Kleiderkontos faktisch selbst ?nanzieren).
Zusätzlich fordert DIE LINKE die Einführung einer vom Landtag beauftragten unabhängigen Kontrollkommission zur Aufklärung von Straftaten von Polizistinnen und Polizisten.

Justiz- und Rechtspolitik

Justizminister Ulrich Goll (FDP) betreibt seit Jahren eine Politik, die das Gegenteil von liberal ist. Seine Aufgabe wäre es, die Unabhängigkeit der Gerichte gegen Einmischungen aus der Politik zu verteidigen. Tatsächlich jedoch mischt er sich selbst in die Angelegenheiten der Justiz ein. Zum Beispiel ist seine Positionierung gegen die Forderung nach einer Restriktion der privaten Waffenhaltung kaum zu trennen von seiner eigenen hinlänglich bekannten Waffenvorliebe.

Als Antwort auf überfüllte Gefängnisse sieht die baden-württembergische Regierung ihr Heil in der höchst bedenklichen Privatisierung des Strafvollzugs. Da soll der Bock zum Gärtner gemacht werden. Auch die Einführung einer elektronischen Fußfessel führt nicht zu einer Lockerung des Strafvollzugs, sondern zu seiner Ausdehnung. DIE LINKE wird im Landtag auf die Tagesordnung setzen:

  • Das soeben verabschiedete Strafvollzugsgesetz und das Polizeigesetz dürfen nicht hinter europäische Rechts­standards zurückfallen und müssen reformiert werden.
  • In Baden-Württemberg muss eine unabhängige Institution einer oder eines Beauftragten für Gefangene und Justizvollzug eingerichtet werden, damit Betroffene eine Anlaufstelle haben, an die sie sich wenden können –  ähnlich der Institution der oder des Wehrbeauftragten.
  • Die Privatisierung des Strafvollzugs muss sofort beendet und rückgängig gemacht werden. Der Strafvollzug ist eine öffentliche Aufgabe und gehört nicht in die Hand privater Pro?tinteressen. Das gilt auch für die Bewährungshilfe.
  • Gefängnisse dürfen keine Abschiebeanstalten sein. Wir fordern ein Bleiberecht für alle von Verfolgung, Folter und Tod bedrohten Menschen. Sie dürfen nicht dem Strafvollzug unterworfen werden – das ist  unmenschlich! Die Abschiebehaft von Frauen, Kindern, Kranken und Alten muss sofort beendet werden.
  • Jeder Richter des Landes wird durch einen Richterwahlausschuss gewählt. Dieser besteht aus zwölf Mitgliedern. Davon werden sechs vom Landtag, die übrigen von den jeweiligen Richtervertretungen gewählt.

Über den Bundesrat soll die Landesregierung die Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft und erleichterte Einbürgerungsmöglichkeiten durchsetzen, also eine Änderung des Ausländer- und Asylrechts anstoßen.

Verfassung schützen

Die Verfassung, das Grundgesetz, muss geschützt werden, oft leider nicht nur vor Feinden der Demokratie, sondern  auch vor regierenden Parteien und ihren verfassungswidrigen Beschlüssen. Das belegen zahlreiche Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und des baden-württembergischen Staatsgerichtshofes.
Die freiheitlichen und demokratischen Elemente unseres Grundgesetzes müssen verteidigt werden. Zusätzlich ist aber auch erforderlich, der Gefahr einer schleichenden Entdemokratisierung entgegenzutreten, die unter anderem dadurch droht, dass sich herrschende Eliten verselbständigen und Wirtschaftsunternehmen ihre Parteilobby durch „Spenden“ kaufen.  Das Grundgesetz muss ständig im Sinne von mehr Emanzipation und Rechten für die Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt werden.

Einige Entwicklungen in der als „Verfassungsschutz“ bezeichneten Behörde sind allerdings nicht unproblematisch, insbesondere in Baden-Württemberg. Weil das „Landesamt für Verfassungsschutz“ unmittelbar dem Innenminister untersteht, fehlt es ihm an politischer Unabhängigkeit. Immer wieder wurde es in der Vergangenheit dazu missbraucht, missliebige politische Konkurrenz bespitzeln zu lassen und in der Öffentlichkeit durch haltlose Unterstellungen zu verunglimpfen.

Wenn in Papieren der Jungen Union Baden-Württemberg Nazi-Parolen kursieren und demagogisch eine Überfremdungsgefahr beschworen wird, ohne dass die CDU-Führung oder das Landesamt für Verfassungsschutz dagegen einschreiten, wirft das ein grelles Licht auf die tatsächlichen Verhältnisse in Sachen Schutz der Grundwerte und Freiheitsrechte in Baden-Württemberg.

DIE LINKE fordert die Umwandlung des Landesamtes für Verfassungsschutz in ein von der Landesregierung unabhängiges wissenschaftliches Institut, das die Einhaltung der Verfassung und die Respektierung von Bürgerrechten laufend überprüft und darüber berichtet. Die Programme und Aktivitäten aller politischen Parteien und Bewegungen sollen dabei gleichermaßen analysiert und ausgewertet werden.

Konsequente Friedenspolitik – Keine Bundeswehr im Inneren

DIE LINKE Baden-Württemberg spricht sich für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und gegen Bundeswehreinsätze im Ausland und im Inneren unseres Landes aus. In den letzten Jahren wurden systematisch die Grenzen zwischen polizeilichen, militärischen und geheimdienstlichen Aufgaben aufgeweicht. Die LINKE fordert, auch als Konsequenz aus den Verbrechen des Dritten Reiches, eine klare Trennung dieser Bereiche. Immer häufiger versucht die Bundeswehr durch Auftritte im öffentlichen Raum, zum Beispiel durch Gelöbnisse mitten in baden-württembergischen Städten, für Akzeptanz oder zumindest Gewöhnung an ihre Präsenz zu sorgen.

Ein wesentlicher Baustein für gegenwärtige und zukünftige Bundeswehreinsätze im Inneren ist die zivilmilitärische Zusammenarbeit. Diese wurde in den letzten Jahren grundlegend neu geordnet, so dass die Bundeswehr nun mit  Kreisverbindungskommandos in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt präsent ist und mit Bezirks- und Landeskommandos in den Regierungspräsidien und in der Landespolitik Ein?uss nehmen kann. Das Militär ist damit dauerhaft in die Katastrophenschutzstäbe auf Landesebene eingebunden. Dadurch wird die Unterscheidung zwischen zivilem  Katastrophenschutz und militärischem Zivilschutz dauerhaft unterlaufen. Das Militär bestimmt maßgeblich die Katastrophenschutzpläne und darüber, was als Katastrophe zu de?nieren ist. Über Programme von Innenministerien und Bundeswehr zum Schutz so genannter „kritischer Infrastruktur” (Bahnhöfe, Flughäfen, Energieversorgungsunternehmen, Banken etcetera) können auch Streiks oder Demonstrationen vor solchen Einrichtungen zum Katastrophenfall  erklärt werden, so dass Einsätze der Bundeswehr gegen Streikende oder Demonstrierende zu befürchten sind.

Gleichzeitig stehen für den zivilen Katastrophenschutz immer weniger Gelder zur Verfügung. Doch nur, wenn es einen gut ausgestatteten zivilen Katastrophenschutz gibt, ist auch die tatsächliche Versorgung der Zivilbevölkerung in einem Katastrophenfall gesichert. Militärische Prioritäten sind keineswegs immer identisch mit dem,  was den Bedürfnissen der Zivilbevölkerung entspricht.

DIE LINKE begrüßt, dass immer mehr militärische Liegenschaften aufgegeben werden, und sieht das als Chance für eine zivile Entwicklung der betroffenen Regionen. Sämtliche in Baden-Württemberg stationierte Bundeswehreinheiten müssen aufgelöst und die Kasernen einer friedlichen Nutzung zugeführt werden. Das gilt zuerst für die Kaserne in Calw, von der aus das Kommando Spezialkräfte in Kriege in aller Welt geschickt wird, und für den Sprengplatz am Heuberg, wo beim Trainieren von „Kriegsspielen“ auch das Grundwasser der Region gefährdet wird. Die anderen Kasernen sollten dann schrittweise folgen.

DIE LINKE lehnt die Versuche der Bundeswehr ab, in Arbeitsagenturen, auf Messen, in Schulen und Hochschulen junge Menschen für den Militärdienst zu rekrutieren. Es darf nicht sein, das Offiziere in ARGEn die Notlage junger Hartz-IV-Empfängerinnen und -empfänger für ihre Anwerbebemühungen ausnutzen. Stattdessen benötigen diese Menschen Perspektiven für beru?iche Bildung im zivilen Bereich.

DIE LINKE Baden-Württemberg fordert:

  • Die institutionalisierte zivilmilitärische Zusammenarbeit zu beenden;
  • keine öffentlichen Aufmärsche und Gelöbnisse der Bundeswehr;
  • keine Einsätze der Bundeswehr im Inland;
  • Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Arbeitsämtern müssen aufgelöst werden.
  • Für die Konversion militärischer Liegenschaften erstellt das Land Konzepte für zivile Nutzung und entspre­chende finanzielle Unterstützung zur Verfügung.
  • Demilitarisierung der Wirtschaftsförderung: Keine Subventionen und Fördergelder an Firmen und Konzerne in Baden-Württemberg, die an Rüstungsforschung, Herstellung von Rüstungsgütern und Komponenten für Kriegsmaterial beteiligt sind. Baden-Württemberg legt Programme zur Rüstungskonversion auf, so dass an Stelle von Arbeitsplätzen in der Rüstungsproduktion zivile Arbeitsplätze (zum Beispiel im Bereich nachhaltiger Energiegewinnung) entstehen können.

Kein Boden für Rassismus und Neofaschismus!

Auch in Baden-Württemberg nehmen rassistische, antisemitische und neofaschistische Aktivitäten und Übergriffe zu. Von solchen Aktivitäten und Übergriffen sind auch immer mehr Menschen mit Behinderungen betroffen. Die „Jungen Nationaldemokraten“ haben seit 2005 in Baden-Württemberg ihre Mitgliederzahl verdoppelt, und mit den „Autonomen Nationalisten“ ist eine neue, gewaltbereite Jugendgruppierung entstanden. Statt der neofaschistischen Gewalttäter verfolgt und bestraft die Landesregierung jedoch die antifaschistische Gegenwehr.

Da Rassismus und Neofaschismus jedoch in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt sind, darf der Kampf dage­gen nicht überwiegend bei sogenannten Randgruppen der Gesellschaft geführt werden. Beispielsweise treten bei  der Jungen Union in Baden-Württemberg immer wieder rechtsextreme Tendenzen auf, die von der Mutterpartei nur ungenügend kritisiert oder sogar verharmlost werden.

Die Mitarbeit in antifaschistischen Bündnissen zählt zum Grundverständnis der LINKEN. Alle den Faschismus und den Holocaust relativierenden Vergleiche lehnen wir ab, insbesondere die unhistorische Gleichsetzung von links und rechts.

DIE LINKE Baden-Württemberg fordert:

  • Keinerlei finanzielle oder sonstige Unterstützung für das reaktionäre Studienzentrum Weikersheim;
  • keine steuerliche Begünstigung rechtsextremer und geschichtsrevisionistischer Organisationen oder Tarnorga­nisationen wie beispielsweise der sogenannten Gesellschaft für freie Publizistik in Baden-Württemberg;
  • Bekämpfung sowohl von Antisemitismus als auch von Islamophobie;
  • antifaschistisches Engagement und Erinnerungsarbeit sollen gefördert und gestärkt statt behindert und krimi­nalisiert werden.
  • Sowohl alter als auch neuer Faschismus sollen im Geschichtsunterricht aufgearbeitet werden. Antirassistische  Aktivitäten sind an den Schulen des Landes im Rahmen von „Schule ohne Rassismus“ stärker zu unterstützen.
  • Migrantinnen und Migranten aus aller Welt sind selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens und der kulturellen Vielfalt dieses Landes. Entschieden bekämpft DIE LINKE Rassismus, Vorurteile, Benachteiligung und Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund.
  • Die LINKE lehnt ein Kopftuchverbot ab. Wir sind für eine Gleichbehandlung aller Religionen. Solange in Schulen christliche Symbole und Kleidung geduldet werden, kann es nicht sein, dass muslimischen Lehrerinnen mit Kopftuch Berufsverbot erteilt wird. Darüber hinaus halten wir am Prinzip der Trennung von Kirche und Staat fest. Unser Ziel bleibt eine Schule frei von religiösen Symbolen.
  • Die Arbeit der Gedenkstätteninitiativen und Dokumentationszentren wie beispielsweise jenes der Sinti und Roma in Heidelberg sind aufzuwerten und zu fördern. Die finanziellen Mittel sollen sich am künftigen Bedarf der jeweiligen Gedenkstätten orientieren.
  • Umfassende Aufarbeitung der Euthanasie gegen Menschen mit Behinderungen; entsprechende Gestaltung von Gedenkstätten;
  • das Verbot und die Auflösung aller neofaschistischen Organisationen;
  • die Einleitung eines erneuten Verbotsverfahrens gegen die NPD und ihre Unterorganisationen durch einen  entsprechenden Antrag im Bundesrat; zu diesem Zweck muss das Landesamt für Verfassungsschutz seine V-Leute in der NPD abschalten.
  • sofortige Beendigung der pauschalen Überwachung antifaschistischer und linker Initiativen, Verbände und Parteien durch das Landesamt für Verfassungsschutz.

Erinnerungskultur: NS-Dokumentationszentrum für Baden-Württemberg im „Hotel Silber“ aufbauen

Das Land plant zusammen mit dem Kaufhauskonzern Breuninger ein Neubauprojekt am Stuttgarter Karlsplatz. Die Investoren planen hier ein Einkaufszentrum, ein Luxushotel und Büros für Ministerien. Hierfür soll das Gebäude in der Dorotheenstraße 10, bekannt als „Hotel Silber“, abgerissen werden.

DIE LINKE wendet sich entschieden gegen diese „Entsorgung der Geschichte“. Hier war in der NS-Zeit der Sitz der Gestapo-Leitstelle und damit die Zentrale des NS-Terrors in Württemberg-Hohenzollern. Von hier aus wurden die Gestapo-Gefängnisse und „Arbeitserziehungslager“ im Land eingerichtet. Von hier aus wurde die Überwachung und Bespitzelung der Bevölkerung organisiert. Von hier aus wurden die Verfolgungsmaßnahmen gegen so genannte Asoziale und gegen Homosexuelle organisiert. Die Gestapo-Zzentrale war in ganz verschiedene Referate aufgeteilt. Die Liste der Sachgebiete reichte vom „Judenreferat“ – die Gestapo organisierte die Deportation – bis hin zur Niederschlagung des kommunistischen Widerstands und der Verfolgung von Kritikern des NS-Regimes innerhalb der Kirchen. Von hier aus wurden die Zwangsarbeiter überwacht und in etlichen Fällen über ihre Ermordung am Galgen entschieden. Von hier aus wurden die Züge der württembergischen Juden in die Vernichtungslager organisiert.

DIE LINKE fordert, das „Hotel Silber“ zu erhalten und zwar als Gedenk- und Lernort, wo sich am authentischen Ort Bürgerinnen und Bürger, insbesondere junge Menschen, Zugang zum dunkelsten Kapitel der Stadt- und Landesgeschichte erarbeiten können. Wir fordern, dass das Land auf einen Teil der geplanten Büros an dieser Stelle verzichtet und als Investor Architekten beauftragt, eine Planung zu entwickeln, die den Erhalt des Gebäudes möglich macht. DIE LINKE will, dass das Land mit der Stadt Stuttgart Verhandlungen aufnimmt mit dem Ziel, hier das längst überfällige NS-Dokumentationszentrum für Stuttgart und Baden-Württemberg einzurichten, als einen die dezentralen Gedenkstätten ergänzenden Ort, an dem die Verfolgung aller Opfergruppen, der Widerstand in all seinen Facetten und das Funktionieren des NS-Regimes systematisch und konkret auf Stuttgart und Württemberg-Hohenzollern bezogen dargestellt wird.