Ein Politikwechsel für soziale Gerechtigkeit und direkte Demokratie ist nötig – und möglich

Baden-Württemberg ist ein Bundesland, das von alten Stärken zehrt. Aber diese Stärken, das macht die Krise deutlich, sind gleichzeitig die Schwächen – bereits heute, erst recht morgen. Das Land ist einseitig auf Automobilindustrie und Maschinenbau ausgerichtet und exportabhängig wie kein anderes Bundesland. Es hat eine schlechte Regierung und im Landtag eine Opposition, die so schwach ist, dass man sie kaum Opposition nennen kann. Die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm schreitet wie in ganz Deutschland auch in Baden-Württemberg immer schneller fort.

Die von der Regierung Schröder/Fischer verschärfte Politik der sozialen Spaltung durch die Hartz-Gesetze, die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die moderne Form der Sklavenhaltung, die sich Zeitarbeit nennt, ist durch die Regierung von CDU und FDP in Baden-Württemberg ungebremst fortgesetzt und weiter vertieft worden. Dabei zeigt die Kombination der Politik der Hartz-Gesetze mit dem von CDU und FDP stur verteidigten dreigliedrigen Schulsystem und der Verweigerung eines ganztägigen Bildungsangebots eine besonders unheilvolle Wirkung. Die soziale Spaltung wird durch das bestehende Bildungssystem zusätzlich verfestigt. Nirgendwo in Deutschland hängen Bildungschancen so sehr von Einkommen und Vermögen der Eltern ab wie in Baden-Württem­berg und Bayern.

Auch mit der nahezu totalen Abhängigkeit von der Exportindustrie steht Baden-Württemberg für die Zuspitzung der deutschen Misere. Der Dienstleistungssektor ist vergleichsweise unterentwickelt. Die Entwicklung der Medien­-Industrie wurde verschlafen. Bei den Finanzdienstleistungen wird der chancenreiche Sparkassensektor zunehmend durch die miserabel geführte Landesbank belastet. Sie sitzt auf riesigen Beständen so genannter toxischer Papiere, unsicherer Kredite, riskanter Staatsanleihen und Immobilienengagements.

Die lange Zeit von der SPD und den Grünen mitgetragene Politik der Privatisierung des öffentlichen Sektors, der Altersvorsorge und die ursprünglich auch von der SPD befürwortete Einführung von Studiengebühren haben das Land nicht ökonomisch gestärkt, sondern seine Zukunftschancen verringert. Der Verkauf des landeseigenen Energie-Unterneh­mens und der Technischen Werke der Stadt Stuttgart an den französischen Staatskonzern EDF war eine  Fehl­entscheidung, die jetzt korrigiert wird. Die LINKE begrüßt die Tatsache, dass sich ein Aktienpaket in Höhe von 45 Prozent der Anteile an der EnBW wieder im Besitz des Landes befindet. Sie fordert die Aufklärung über Konditionen und über das Vorgehen von Ministerpräsident Mappus beim Rückkauf. Sie lehnt aber die Börsenpläne von Ministerpräsdident Mappus ab.

Landesregierung und Landeshauptstadt wollen Milliarden für ein geradezu beispielloses Projekt politischer Fehlplanung – den Tiefbahnhof S 21 – investieren. Das erregt zu Recht den Zorn und den Widerstand der Bevölkerung. Bezeichnenderweise wurden und werden sowohl die Misere der Landesbank als auch das Milliardengrab Stuttgart 21 mit Zustimmung der Landes-SPD abgewickelt.

Der von der CDU und FDP massiv betriebene Personalabbau im öffentlichen Dienst zeigt gravierende Folgen, nicht nur bei Schulen, Hochschulen und im Gesundheitssystem, sondern auch bei der öffentlichen Sicherheit. In der Finanzverwaltung wurde Baden-Württemberg geradezu zu einem Paradies für Steuerhinterzieher, hervorgerufen durch mangelnde Kontrolle. Das hinderte die schwäbische und badische Geldaristokratie nicht daran, erhebliche Teile des so erworbenen Geldvermögens in die benachbarte Schweiz zu bringen. Die schwarz-gelbe Koalition wollte den Steuerbetrug auch noch dulden, indem sie sich weigerte, die CD mit den Steuerbetrügern zu kaufen.

Städte und Gemeinden sind nach 25 Jahren neoliberaler Politik ?nanziell geschwächt durch dramatische Ein­brüche der Gewerbesteuereinnahmen, aber auch durch die Verlagerung zusätzlicher Leistungen ohne ?nanziellen Ausgleich von Bund und Land. Sie sind immer weniger in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Eine jahrzehntelange rechtskonservative Politik hat dazu geführt, dass Baden-Württemberg in Fragen der Gleichberechtigung von Frauen den Anschluss weitgehend verloren hat. Die Landesregierung propagiert immer noch die Hausfrauen- und Versorger-Ehe, in der sich Frauen „freiwillig“ die Haus- und Erziehungsarbeit aufbürden und eine quali?zierte und existenzsichernde Erwerbsarbeit für sie untergeordnete Bedeutung hat.

Baden-Württemberg hat mit 24,8 Prozent den höchsten Anteil von Einwohnerinnen und Einwohnern mit Migra­tionshintergrund. Die Landesregierung hat zwar im Jahr 2008 einen Landesintegrationsplan herausgegeben, betreibt jedoch immer noch keine ?ächendeckende und angemessene Integrationspolitik.

Die CDU/FDP verfolgt in Baden-Württemberg eine Innen-, Rechts- und Staatspolitik, die sich am Leitbild eines bevormundenden Obrigkeitsstaates orientiert, der die Bürgerinnen und Bürger zu Bittstellern in Bezug auf eigene Rechte und Informationen macht, ihnen misstraut und sie bei wichtigen Entscheidungen möglichst ausschließt. Auch im Vergleich zu anderen Bundesländern bestehen in Baden-Württemberg erhebliche De?zite an Demokratie und Bür­gerrechten. Die demokratischen Mitwirkungsrechte der Bevölkerung sind gering. Die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 hat dies drastisch deutlich gemacht (Heiner Geißler: „Es muss Schluss sein mit der Basta-Politik“).

Auf dem ökologisch entscheidenden Feld der alternativen Energieerzeugung ist Baden-Württemberg Ent­wicklungsland. Die Stromerzeugung aus Windkraft wurde und wird systematisch blockiert. Deshalb ist Baden-Württemberg bundesweit mit nur 1 Prozent Strom aus Windenergie Schlusslicht. In drei Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein und Mecklenburg- Vorpommern) beträgt der Stromanteil aus Windenergie schon über 35 Prozent.

Den Versuch einiger Stadtwerke, Alternativen zur atomenergie­abhängigen Unternehmensstrategie der EnBW zu schaffen, hat die Landesregierung nach allen Regeln der Kunst behindert. Sie gehört zu den entschiedensten Verfechtern der Verlängerung von AKW-Laufzeiten.

Bei den Landwirtschaftssubventionen wird nach dem Gießkannenprinzip verfahren und auf die Durchsetzung ökologischer Standards verzichtet.

Am 1. September 2010 legte die Bundesregierung das so genannte „Sparpaket“ vor. Nach jahrelan­gen Steuersenkungen für Unternehmen, Wohlhabende und Reiche sollen jetzt Millionen und Milliarden Euro ausgerechnet den Arbeitslosen und Lohnabhängigen weggenommen werden. Kurz danach folgte der Entwurf zur „Gesundheits­reform“ der Bundesregierung. Sie soll 2011 in Kraft treten. Sie ist neben ihren sozial ungerechten Einzelmaßnahmen die endgültige Aufkündigung der Solidarversicherung. Für Ministerpräsident Stefan Mappus geht das noch nicht weit genug. Er fordert eine weitere Belastung der sozial Schwachen. Das zeigt, was die Wählerinnen und Wähler von einer Fortsetzung der CDU/FDP Politik in Baden-Württemberg zu erwarten haben.