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Redebeitrag von MdB Michael Schlecht: Rot-Rot-Grün?

Die SPD hat in den letzten Jahren und vor allem auch im Bundestagswahlkampf versucht DIE LINKE wieder aus den Parlamenten zu drängen. Abgrenzung und Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit war deshalb angesagt. Mit dem Wiedereinzug in den Bundestag mit 8,6 Prozent und in den hessischen Landtag ist diese Strategie gescheitert.

Die wenigen Sozialdemokraten behielten recht, die die Ausgrenzungspolitik immer kritisierten, weil die SPD sich politische Gestaltungschancen nehme. Mit dem Weg in die Große Koalition ist diese strategische Sackgasse überdeutlich geworden.

Deshalb hat die SPD auf ihrem Parteitag im November beschlossen, Koalitionen mit der Linken nicht mehr auszuschließen. Der jetzige Zeitpunkt soll der SPD-Basis signalisieren, dass eine große Koalition jetzt noch einmal notwendig sei, aber in der Zukunft sich die Optionen anders gestalten. Auch deshalb wurde bekräftigt, dass eine Zusammenarbeit mit der Linken nicht jetzt, auch nicht morgen, sondern vielleicht 2017 möglich sei. Allerdings nur, wenn DIE LINKE sich deutlich verändere und bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Finanzpolitische Solidität

DIE LINKE müsse sich auf einen „finanzierbaren Koalitionsvertrag“ verpflichten, heißt es.

Da kann man eigentlich nur sagen, nichts lieber als das: DIE LINKE ist die einzige Partei, die um Gestaltungsspielraum zu erlangen schon vor Jahren ein Steuerkonzept vorgelegt hat, dass Reiche und Vermögende deutlich stärker belastet. Wir wollen unter anderem die Millionärsteuer, mit der das Vermögen oberhalb einer Million mit fünf Prozent besteuert wird. Dies brächte alleine schon 80 Milliarden, für Baden-Württemberg mehr als zehn Milliarden.

So können die öffentlichen Kassen im Lichte der Schuldenbremse saniert werden und zusätzliches Geld bereitstehen um mehr für Bildung, für Pflege, für die Energiewende und eine bessere Infrastruktur zu tun. Sozialabbau würde verhindert und keine Lehrerstellen müssten gestrichen werden, sondern es könnten mehr geschaffen werden!
Aber gerade in Baden-Württemberg sieht man bei Kretschmann und Schmid, dass sie das nicht wollen. Sie biedern sich bei Reichen und Vermögenden an, sie kämpfen in ihren eigenen Parteien gegen Steuererhöhungen. Für den Fall, dass Rot-Grün bei der Bundestagswahl gewonnen hätte, kündigen sie im Wahlkampf Widerstand über den Bundesrat gegen eine „übermäßige“ Vermögensbesteuerung an. Kretsch und Schmid lassen sich im Lichte der Schuldenbremse lieber auf Stellenstreichungen bei Lehrern und weiteren Kürzungen ein.

Verantwortung in der Außenpolitik

Eine weitere Bedingung, die für eine Zusammenarbeit formuliert wird, lautet: DIE LINKE müsse eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik“ entwickeln.

Wer hat denn den Grundsatz „Von deutschem Boden soll kein Krieg wieder ausgehen“ gebrochen? Das waren doch SPD und Grüne. Abertausende von Toten und unendliches Leid haben sie zu vertreten. Jetzt, im Abzug aus Afghanistan wird doch letztlich jedem klar, dass dieser Kriegseinsatz ein Desaster, ja ein Verbrechen war. Wenn die SPD dies als „verantwortliche Politik“ einfordert, dann in der Tat steht es schlecht um eine Zusammenarbeit. Dazu wird DIE LINKE nie Ja sagen!

Rot-Rot-Grün hat erst dann eine Chance, wenn die SPD wieder sozialdemokratisch wird und in der Außenpolitik zu den Grundsätzen einer Friedenspolitik von Willy Brandt zurückkehrt! Das mag für manchen in der SPD ja fast revolutionär klingen, aber eigentlich ist mit dem Besinnen auf eine Brandt’sche Politik doch nicht zu viel verlangt!?
Auch das, was wir in der Europapolitik der SPD die letzten Jahre erlebt haben, war alles andere als „verantwortungsvoll“.

Die den südeuropäischen Ländern von Deutschland aufgezwungene Kürzungspolitik führte zu einer zusätzlichen Verschärfung der Krise. Wer einem Ertrinkendem einen Rettungsring aus Blei zu wirft, ist für seinen schnellen Untergang verantwortlich. In Ländern wie Griechenland ist mittlerweile die Wirtschaft um 25 Prozent abgestürzt und in allen südeuropäischen Ländern ist die Arbeitslosigkeit explodiert, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit.

Sozialabbau und Verelendung führt letztlich auch zu Tod durch schlechte Gesundheitsversorgung, ja zum Teil durch deren Zusammenbruch. Und schließlich ist die Suizidrate, auch unter Jugendlichen deutlich angestiegen.
Die SPD hat seit dem Frühjahr 2010 immer der bestialischen Politik von Merkel zugestimmt. Auch die Grünen haben mit gemacht. „Verantwortungsvoll“ natürlich! Merkel, die SPD und die Grünen ziehen in Europa eine Blutspur hinter sich her. Dieser Politik kann DIE LINKE nie und nimmer zustimmen!

Rot-Rot-Grün hat nur eine Chance, wenn die Kürzungs- und Strangulierungspolitik gestoppt wird. Und wenn massive Aufbauprogramme für Südeuropa, finanziert von Reichen und Vermögenden aufgelegt werden! Das ist verantwortungsvolle Europapolitik!
Die entscheidende Bedingung für eine mögliche Zusammenarbeit lautet:
Es muss einen wirklichen Politikwechsel geben!

Und dies bedeutet im Kern die Rückabwicklung der Agenda 2010! Über die Geschwindigkeit, über das Schrittmaß kann man mit Partnern verhandeln, aber die Richtung muss stimmen.

DIE LINKE will Gute Arbeit, tariflich geschützt, nicht verliehen, nicht befristet und nicht in Scheinselbstständigkeit! Dies sind auch Voraussetzungen, damit die Kampfkraft der Gewerkschaften wieder gestärkt wird und deutlich höhere Lohnabschlüsse möglich werden.

Denn es muss endlich Schluss sein mit Lohndumping, es muss Schluss sein damit, dass Beschäftige heute preisbereinigt nicht mehr haben als im Jahr 2000 und Unternehmer sich die Taschen vollstopfen. Seit 2000 haben sie ihre Profite um 30 Prozent gesteigert und allein durch das Lohndumping eine Billion Euro zusätzlich abkassiert.
Dies ist alles nicht nur unsozial, es ist auch wirtschaftspolitisch verhängnisvoll. Nicht nur für uns, sondern für Europa.

Stop dem Außenhandelsüberschuss

Mit dem Lohndumping und den Kürzungen bei den Staatsausgaben ist die Binnennachfrage in Deutschland beschnitten worden. Folglich sind auch Importe aus dem Ausland nur verhalten gestiegen. Auf der anderen Seite haben deutsche Unternehmer mit dem Kostenvorteil des Lohndumpings ausländische Märkte erobert und eine Exportoffensive nach der anderen gestartet.

In dieser Scherenbewegung von verhaltenen Importen und explodierenden Exporten hat Deutschland seit 2000 einen Außenhandelsüberschuss von 1,6 Billionen Euro aufgebaut. Diesen konnte und kann das Ausland nur durch Schulden bezahlen, die letztlich auch zu Staatsschulden wurden. Dies ist der zentrale Grund für die Verschuldungskrise vor allem der südeuropäischen Länder.

Von Merkel, aber auch von SPD und Grünen wird dieser Zusammenhang geleugnet, stattdessen orientieren sie auf den Export deutscher Austeritätspolitik nach dem Motto: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD bekräftigt diese Linie.

Die Länder mit Außenhandelsdefiziten seien nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Deutschland habe mit der Agenda 2010 vorgemacht, wie Wettbewerbsfähigkeit und damit hohe Außenhandelsüberschüsse erreicht werden können. Deshalb wurden die anderen europäischen Länder gezwungen sich nach dem deutschen Vorbild auszurichten: Lohn- und Sozialkürzungen, faktisch der Export einer verschärften Agenda 2010.

Damit wurden die südeuropäischen Länder erst richtig stranguliert. Die Arbeitslosigkeit, gerade der jungen Leute stieg massiv an. Wer in Anbetracht des Elends von einem Ende der Eurokrise daherredet, ist zynisch oder ignorant.

Gefahr der Deflation

Ein massiver Rückgang der Binnennachfrage, die gerade in den südeuropäischen Ländern eine viel größere Bedeutung hat als in Deutschland, lässt diese Länder nicht nur in eine tiefe und sich verfestigende Rezession abrutschen, sondern treibt sie und letztlich den ganzen Kontinent in die Deflation.

Die Tendenz zu sinkenden Preisen, also der Deflation, kommt vor allem aus den südeuropäischen Krisenländern. In Griechenland sinken die Preise bereits seit März. Auch Irland, Portugal, Spanien und Zypern nähern sich bedrohlich der Deflation. Die Preise in der Euro-Zone sind im Oktober nur noch um 0,7 Prozent gestiegen, vor Jahresfrist noch um mehr als zwei Prozent.

Aus Sicht der Verbraucher und der Sparer scheint ein Rückgang der Preise durchaus begrüßenswert. Jedoch werden dann Käufe und Investitionen immer weiter in die Zukunft geschoben, denn morgen kann ja alles billiger sein. Das schwächt die wirtschaftliche Entwicklung und drückt die Preise nur noch weiter nach unten.
Gesamtwirtschaftlich birgt die Deflation also hochbrisante Risiken. Japan befindet sich seit den 1990er Jahren in einer Deflationsspirale und hat sich bislang immer noch nicht erholt.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt der Beschluss der EZB von Anfang November die Zinsen auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent zu senken, um die deflationären Tendenzen zu bekämpfen.

Alternative Politik

Soll die Deflation verhindert werden, reicht jedoch keine Senkung der Leitzinsen. Vielmehr muss die Kürzungspolitik vor allem in den südeuropäischen Ländern gestoppt und mit Aufbauprogrammen ihre Wirtschaft wieder ins Laufen gebracht werden. Ein europäischer ’Marshallplan‘ in Höhe von 600 Milliarden Euro – finanziert durch eine Vermögensabgabe bei Millionären – ist hierzu erforderlich.

Und Deutschland muss seinen Außenhandelsüberschuss durch Stärkung der Binnennachfrage, durch deutlich höhere Löhne und massives Investitionsprogramm des Staates in den sozial-ökologischen Umbau abbauen.

Dies sind die eigentlichen brennenden Fragen der Gegenwart für unser Land und den ganzen Kontinent. An Union und SPD geht das komplett vorbei; siehe die Koalitionsvereinbarung.

DIE LINKE ist die einzige Partei die grundlegende Zukunftsfragen thematisiert. Der erste Schritt muss dabei immer der Kampf gegen die Agenda 2010 und für höhere Löhne sein!

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Dieser Text beruht auf der Rede, die Michael Schlecht auf dem Landesparteitag am 23. November 2013 gehalten hat. Weitere Informationen auf www.michael-schlecht-mdb.de